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Inklusion im Sport – Impulse, Erfahrungen und Beispiele

Aktualisiert: 19. Nov. 2022


Am ersten inklusiven Sportseminar haben Vertreter*innen aus dem Inklusions-, Gesundheits- und Behindertensportbereich sowie von Bund, Kantonen und der Stadt Gallen teilgenommen. Der Fokus: Wie können Menschen mit Be­ein­trächtigung im Schweizer Sport inkludiert und entsprechende Strukturen geschaffen werden?

 

Inklusion gilt als globales Ideal. Die UN Konvention als globaler, normativer Rahmen wurde seit 2006 von 175 Vertragsstaaten unterzeichnet und ist in der Schweiz seit 15.05.2014 in Kraft. Dennoch gibt es in unserer Gesellschaft sehr viele Hürden und Berührungsängste gegenüber Menschen mit Beeinträch­tigung, welche die Betroffenen sowie ihre Familien und Angehörigen täglich spüren und erleben. Die Vision von Special Olympics ist es, durch die Kraft des Sports eine inklusive Welt zu schaffen, in welcher Menschen mit Beeinträchtigung ein aktives, gesundes und erfülltes Leben führen können. Wie können wir Menschen mit Beeinträchtigung uneingeschränkten Zugang zu Sport­angeboten garantieren und sie im Schweizer Sport willkommen heissen?



Teilhabe in inklusiven Sportclubs

Prof. Dr. Carmen Zurbriggen ist Associate Professor in Inclusive Education, University Luxembourg und begleitet das Forschungsprojekt «UNIFIED Club». Die ersten Ergebnisse zeigen, dass Kinder und Jugendliche in diesem Programm differenziert Auskunft zu ihrem emotionalen Erleben geben können. Gleichzeitig erleben sie das Unified-Training als vielfach positiv und fühlen sich mehrheitlich gut eingebunden. Eine grössere Studie dazu ist schweizweit bereits in Planung. Ein diskriminierungsfreier Zugang ist die Voraussetzung für Inklusion, aber keine ausreichen­de Bedingung. Ein zentrales Ziel von Inklusion ist eine aktive Teilhabe (emotionales Wohlbefinden) sowie ein Gefühl von sozialer Zugehörigkeit. In Bezug auf den Sport braucht es geeignete Voraussetzungen für die Inklusion: Sportclubs und Sportaktivitäten sollen so gestaltet werden, dass der Zugang für Menschen mit Beeinträchtigung sichergestellt ist und eine gleichberech­tigte Teilhabe in der Gesellschaft durch geeignete Massnahmen ermöglicht wird.


Gelingende Inklusion in der Praxis


Beda Meier führt als Direktor der Valida in St. Gallen ein soziales Unternehmen für Menschen mit Unter­stützungs­bedarf. Er bezeichnet die Valida als «Chancen-Fabrik», welche Menschen mit und ohne Beeinträch­tigung Chancen für ein gelingendes Leben bietet. Die Ressourcen einer Person werden dabei ins Zentrum gerückt: es wird ausgelotet, wo ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten liegen. Ebenso ist die Ausgestaltung eines barrierefreien Umfelds sowie dessen Wechselwirkung mit der betroffenen Person entscheidend. Es geht darum, die Umsetzung der Chancengerechtigkeit bzw. der Chancen­gleichheit voranzutreiben und ein gleiches Recht für den Zugang zu Lebenschancen zu gewährleisten.

Als gelungene Umsetzung führt Beda Meier das Label «Sport-verein-t» der IG St. Galler Sportverbände an. Damit werden in einer Charta fünf Zielsetzungen zu den Kernthemen «Organisation, Ehrenamts­förderung, Integration, Konflikt-/Gewalt-/ Suchtprävention sowie Solidarität/Nachhaltigkeit» definiert. Sportorganisa­tionen, welche diese Charta als Ehrenkodex anerkennen und Massnahmen zu deren Umsetzung ergreifen, werden mit dem Label «Sport-verein-t» ausgezeichnet. Aktuell gibt es in der Valida sechs Trainings­gruppen, verschiedene davon konnten Sportvereine als Chancen-Partner, beispielsweise den Schwimm­club Wittenbach, gewinnen. Bereits über 100 Vereine haben das Label.


Teilhabe und entsprechende Möglichkeiten schaffen

In der anschliessenden Podiums-diskussion diskutierte Susy Schär mit folgenden Expert*innen über die Möglichkeiten und Grenzen bei der «Inklusion im Sport»: Prof. Dr. Carmen Zurbriggen (University Luxembourg), Beda Meier (Valida), Roger Schnegg (Swiss Olympic), Stefan Leutwyler (BASPO), Gabriel Currat (Special Olympics Switzerland) und Adrian Wetzel (Unihockeyspieler, Special Team UHC Alligator Malans). Die Teilnehmenden sind sich einig, dass das Thema «Inklusion im Sport» auf nationaler Ebene angekommen ist. Das BASPO hat verschiedenste Diskussionen mit Fachorganisationen geführt, es besteht eine enge Zusammenarbeit mit Swiss Olympic und ein nationales Haltungspapier gibt die weitere Stossrichtung vor. Neben dem nötigen Fachwissen werden vor allem eine Grundhaltung («Chancen schaffen») und breite Sensibilität für die Thematik als Grundvoraussetzung für weitere Bestrebungen für mehr «Inklusion im Sport» erachtet. Anders als bei der nationalen Sportförderung fehlt beim Thema «Inklusion im Sport» ein gesetzlicher Auftrag, weshalb die Thematik bislang verstärkt an andere Bundesstellen und Fachorganisationen ausgelagert wurde. Die bestehenden Strukturen und Fördersysteme sind heute komplex. Es ist daher zu klären, ob diese noch so ausgerichtet sind, dass das Thema «Inklusion im Sport» gezielt vorangetrieben werden kann.


Know-How in zentraler Fachstelle bündeln

Gemäss den Teilnehmenden braucht es eine nationale Anlauf- und Fachstelle, auf welche Vereine oder Verbände zugehen und sich Unterstützung und Fachwissen einholen können. Denn in Vereinen und Verbänden fehlt es oftmals an Know-How und Kompe­ten­zen im Umgang mit Menschen mit Beeinträchti­gung. Trainer*innen fühlen sich eher selten kompetent im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigung oder dem spezifischen Unterstützungs­bedarf.

Fachliche Ansprech­personen sollen bei Fragen in der Praxis unterstützen können: Wie kann ich das Training gestalten? Wie kann ich die Ressourcen finden, damit es optimal gelingt? Die Vorteile sind vielfach: Vorteile für alle Fachorgani­sationen, Vermeidung von Doppelspurig­keiten, Bündelung von Fachwissen, klare Zuständigkeiten sowie Abbau von Hürden und Unsicherheiten in der Bevölkerung. Das BASPO und Swiss Olympic unterstützen diese Stossrichtung und wollen die Bestrebungen für eine inklusive Gesellschaft weiter vorantreiben. Sie sind bereit, entsprechende Mittel dazu zur Verfügung zu stellen. Vorderhand müssen die offenen Fragen geklärt werden: wie soll eine solche Förderung ausgestaltet sein? Welche Qualitätskriterien werden angewendet? Was soll vermittelt werden, auch in Bezug auf Ethik und Sicherheit?


Grundstein für inklusive Sportclubs legen

Der Sport kann sowohl separativ als auch integrativ angesehen werden. Entscheidend ist dabei die Wahlfreiheit: Haben Sportler*innen mit erhöhtem Unterstützungsbedarf eine echte Auswahl aus für sie geeigneten Trainingsangeboten? Wie kann ein Sportverein ideal angepasste Möglichkeiten aufbauen? Wie kann er dabei optimal unterstützt werden? Es geht nicht nur darum, Menschen in Vereine zu inte­grie­ren und bei Vereinsfesten einzubinden, sondern vielmehr darum, die Thematik neu zu denken: wir müssen den Grundstein für inklusive Sportclubs richtig legen und alle Beeinträchtigungsformen berücksichtigen. Der Regelsport soll in die Richtung weiterentwickelt werden, dass eine Vermischung von Menschen mit und ohne Beeinträch­tigung stattfinden kann. Teilhabe ist gerade in unserer heutigen Leistungs­gesellschaft enorm herausfordernd und wichtig. Insbesondere im Schulsport gibt es in Bezug auf Inklusion noch grossen Aufholbedarf. Theoretische Modelle zeigen, dass rund 25 Faktoren für einen inklusi­ven Prozess notwendig sind. Nur ein Viertel davon sind individuelle, drei Viertel sind Umwelt­faktoren. Dabei gilt es Wege zu finden, die für beide Seiten sinnvoll sind. Die Vision: alle die wollen, sollen Sport treiben können und zum Schweizer Sport dazugehören.


Ausblick: Durch den Sport eine inklusive Welt schaffen

Die Vorbereitungen auf die Special Olympics World Winter Games 2029 (6.-18. März 2029) in der Schweiz sind eine einzigartige Chance, die Thematik in der Gesellschaft zu verankern und «Inklusion im Sport» mit allen Akteuren gezielt, gemeinsam und umfassend voranzutreiben. Die Vision: gemeinsam Sportverbände, den Sport und damit die Gesellschaft als Ganzes inklusiver gestalten.


zvg Special Olympics

 

Special Olympics

Special Olympics ist die weltweit grösste Sportbewegung für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung und setzt sich ein für deren Wertschätzung, Akzeptanz und Gleichstellung. Die Organisation wurde 1968 von Eunice Kennedy-Shriver gegründet und ist mittlerweile mit mehr als6 Mio. Athletinnen und Athleten in 200 Ländern vertreten. In der Schweiz existiert Special Olympics seit 1995 als unabhängige Stiftung. Sie bietet jährlich bis zu 70 Wettkämpfe, trägt National Games aus, begleitet Delegationen an World Games und fördert den Aufbau von angepassten Sport- und Bewegungsangeboten in bestehenden Sportvereinen und Breitensportanlässen. Special Olympics macht sich stark für eine inklusive Gesellschaft, in der alle willkommen sind.

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